MOTORRADUNFALL AUF KOH PHANGAN

Hallo  Freunde,

 

 

verzeiht’  bitte,  dass ich mich seit  einigen Wochen bzw. Monaten  nicht gemeldet  habe.  

Aber  in den letzen 6-8  Monaten hatten meine  Frau & ich  sehr  viel  Arbeit  mit  unseren  Geschäftsführungen  bzw.  durch zusätzliche neue Geschäftseröffnungen.

 

Doch nun zu den Gründen meiner E-Mail: 

 

Soe & ich haben auf Koh Phangan am  2. Januar einen weiteren vegetarischen  Verkaufs-Shop  auf dem Nachtmarkt  eröffnet,  der  ökonomisch sehr  erfolgreich war.

 

Des Weiteren mussten wir täglich  die Lomprayha-Fähre, die im Golf  von Thailand Touristen befördert,  mit   unseren vegetarischen Hamburgern  bestücken,  mit dessen Company  wir  seit  Jahren   ein Abkommen   haben.

 

Kurzum:

Wir  hatten sehr viel  Arbeit, insbesondere  meine  liebe  Frau Soe,  da  sie  neben ihrer regulären Arbeit   all  die  Gerichte  kochen  und  verkaufen musste, obwohl wir 3  Mitarbeiterinnen haben.   Aber wir  verdienten durch  all die  Mühen  für  Thailand-Verhältnisse  auch   gutes  Geld. Kaum ein Tag hatte  weniger  als  16 Stunden Arbeit  und  das  7 Tage  die  Woche. 

 

Jedoch hatte   diese  ökonomische Eingebundenheit  des  Geldverdienens und  mehrfachen  Business-Aufbaus  die  Konsequenz, dass   Soe & ich für einander kaum noch Zeit  hatten. 

 

Der entscheidende Hauptgrund unserer wirtschaftlichen Bestrebungen   bestand  in erster Linie  darin, dass  mir  mit  meinen 53  Jahren durch  meine  Thailand-Auswanderung inzwischen  16  Jahre  nicht geleisteter    Rentenbeiträge  fehlen,  was für mich zwangsläufig zu  einer ärmlichen Mini-Rente  führen wird. Aufgrund dessen  sparten   wir  möglichst jeden  Baht  für unsere Altersversorgung.  

 

Das war für uns ein legitimes  Ziel, da es  auf Verantwortungsbewusstsein und Seriösität   beruhte.

 

Aber es  kam anders:

 

Ich bin in den  vergangenen 16  Thailand-Jahren   ca. 160.000  Km mit dem Motorbike  gefahren….und  das  unfallfrei.  Das ist fast  ein Wunder,  denn es  entspricht   fast  die 4-fache Umrundung   unserer Erde! 

 

Damit  möchte ich jedoch nicht   prahlender-weise hervorheben, daß ich ein  sehr guter Motorradfahrer bin, denn das bin ich sicher nicht.   Ich bin  einzig und  allein ein sehr  vorsichtiger, vorausschauender   und vor  allem niemals rasender   Motorradfahrer.  Dieser  Selbsterhaltungstrieb hat mich stets  vor  Unfällen verschont.

 

Leider  währte mein  Glück   „nur“   bis zum  23. Februar  dieses  Jahres:

 

Ich fuhr  an diesem Nachmittag  noch in die  Stadt, um weitere  Lebensmitteleinkäufe für unseren vegetarischen  Verkaufsstand zu  tätigen. Das war  für mich alltägliche  Routine,  da ich  dadurch  Soe  etwas entlasten konnte.  So  fuhr ich wie  immer, um in die  Stadt   zu kommen,  ein  betoniertes  Strassen-Gefälle entlang.  Auf  diesem Gefälle kam mir in   der Kurve  auf  meiner Fahrbahn   ein Auto  entgegen. 

 

Ich konnte den Autofahrer  nicht sehen und er mich auch nicht. Dieser  Autofahrer hatte  gleich mehrere Autos überholt, da  ihm die  anderen Fahrer zu langsam fuhren.  

 

Das ist  Standart   im Straßenverkehr von  Thailand,…ich bin auch daran gewöhnt  und  reagiere  entsprechend. Allerdings  kam mir  der Autofahrer so  nahe, dass  ich immer  weiter links (Thailand  hat Linksverkehr!) an den Straßenrand  musste  und  auf  den sandigen  Fahrbahnrand  gedrängt wurde.  (Alle   Inseln im Golf  von Thailand  haben sich auf Sand  entwickelt.)   

 

Kaum berührte   ich  mit dem Vorderrad  die sandige  Fläche, wusste  ich intuitiv,  dass es gefährlich  werden  wird. Ich  versuchte vorsichtig zu  bremsen,  da ich glaubte,  aus  der Kurve  getragen  zu  werden.  Nur  gering  betätigte  ich die  Hinterrad-Bremse,  aber das Vorderrad  rutschte  wie auf Glatteis auf dem Sand   weg.  

 

Konsequenzen:

 

Da  ich nur  ca.  40 Stundenkilometer fuhr,   konnte  ich nicht über  die  Strasse  rutschen  und  die  Energie zu  kompensieren, sondern schlug direkt  mit  aller Gewalt  auf den Beton auf.  Ich hatte keine   einzige  Abschürfung  und  das Motorbike keinen sichtbaren Schaden.  

 

Trotz  aller  Abfangversuchte  schlug ich mit dem rechten Ellenbogen   derart  massiv auf den Beton  auf,  dass  mein Ellenbogengelenk  zertrümmert  wurde und  die  Knochensplitter  aus der offenen Wunde ragten.    Des Weiteren  wurden   in meiner rechten   Schulter   Bänder abgerissen bzw.  wurden Knochen angebrochen.

 

Von den Prellungen,  Blutergüssen, Muskelzerrungen,  Bänderdehnungen   und  den Verstauchungen  an verschiedenen Gelenken,  will ich erst gar nicht  berichten.

 

Im Krankenhaus:

 

Ein Ausländer, der meinen Unfall beobachtete, fuhr mich sofort  ins städtische  Krankenhaus  auf Koh Phangan. Jedoch  konnte man mich  aufgrund der schweren Verletzungen nicht behandeln. Ich musste mit dem Speed-Boot  sofort nach Koh Samui  ins   staatliche  Krankenhaus  eingeliefert werden, damit die  Notoperation durchgeführt  werden konnte. 

 

Meine  liebe  Frau Soe   schloss  augenblicklich   unsere   verschiedenen Geschäfte  und  begleitete mich ins  Krankenhaus.   Das war für mich ein Segen,  denn ich  hätte die  kommenden 12  Tage in diesem „Schlachthaus“  kaum ertragen.

 

Ich wurde noch in der Nacht  7,5  Stunden am Ellenbogengelenk operiert   und  bekam dort  13  Schrauben und  2 Metallträgerplatten eingesetzt, um die  Knochensplitter  zu fixieren.   Jetzt sieht mein Gelenk aus wie ein Schweizer Käse.   (Siehe  Fotos)

 

Ich kann  dem Herrn auf Knien  danken, dass ich keine lebensbedrohliche Infektion    bekommen habe,  da  in der  offenen Knochen-Zertrümmerung  massiv Dreck, Sand und  Hundeschei…  hineingeraten ist.  

 

Tagelang hat mein Doktor  gebangt,  ob es  zu einer Nekrose kommt,  was  die  Amputation des  Armes  bedeutet hätte.  Ich wusste um diese  Gefahr  und betete  täglich.

 

Ich bin erstmal  glücklich,   dass  es  zu keiner  Infektion mit multiresistenten   Bakterien  oder Keimen gekommen ist  und dass man mir nicht den Arm amputieren mussten.  Denn das  Risiko stand 50/50!!! 

 

 

Würde ich nicht  bereits seit 16  Jahren  in Thailand  leben und  hätte ich mich nicht unzählige  Male bei der Arbeit  geschnitten, verbrannt  oder  anderweitig   meine  Haut verletzt, hatte mein Körper  keine Resistenzen  gegen diese  hochgefährlichen   Bakterien bilden können.

 

Ich bin sicher, und es  sagte mir auch mein Arzt  beim Entlassungstag,  dass  ein Tourist, der soeben 1-2  Tage  in Thailand wäre, seinen Arm mit hoher Wahrscheinlichkeit verloren hätte. Sein  Immunsystem    hätte  nicht über die  nötigen  Anti-Körper verfügen können.

 

Das staatliche Krankenhaus  selbst   ist in erster Linie den Thailändern vorbehalten,  da  nur  wenige  Thais eine  Versicherung  besitzen  und  zudem wenig Geld haben.  Meine  thailändische Unfallversicherung hätte  niemals die  Kosten gedeckt,  wenn ich in ein privates  Krankenhaus gegangen  wäre.

 

Im  staatlichen  Krankenhaus  liegen die  Patienten nicht in Zimmern, sondern in Sälen,  in denen  50-80  Patienten in ihren   Rollbetten dicht  nebeneinander stehen!  Ein militärisches Feldlazarett  wäre die  beste   Umschreibung für dieses  „Schlachthaus“.

 

Da   wir  im Saal der Unfallopfer lagen,  erlebten wir  im Stundentakt(!), wie  schwerstverletzte  Motorrad-Unfallopfer  oder  verunglückte  Bauarbeiter  in unseren Saal  geschoben wurden. 

 

Kurz:

Es wurden Menschen vor  allen Augen eingeliefert, (ca. 90%  waren Männer),  die  zertrümmerte  Kniegelenke hatten,  Beckenbrüche,  fast  abgerissene  Hände,  eingeschlagene Schädel,  zertrümmerte  Schienenbeine,  schwerste  Verbrennungen und,…und,...und…

 

Die  Liste der Verletzungen   ist   schier endlos….

 

Und  zu  all dem    sichtbaren  Leid schrieen  diese  Menschen vor  unerträglichen Schmerzen aus  Leibeskräften!   Erwachsene, gestandene Männer haben vor  Schmerzen geweint!   Am Tage und  in der Nacht,… auch ich  habe  2  Tage geschrieen, bis  ich endlich Morphium  bekam. Aber  selbst das Morphium  konnte die  Schmerzen nicht beseitigen,  doch wenigstens  beruhigte  es mich etwas.

 

An Schlaf  war  für Soe &  mich in den 12  Tagen   wegen der Schmerzensschreie  der Menschen nicht zu denken. Zudem schliefen,  besser  gesagt,  vegetierten  wir gemeinsam   in einem schmalen, knochenhartem Rollbett.  Die  ersten  5  Tage  konnte  ich  wegen der Schmerzen  bei  Bewegungen nicht das Bett verlassen. Ich hatte  sowenig Kraft  und  auch Belastungsschmerzen, dass ich selbst eine  Tablette nicht aus der Verpackung  drücken  konnte.  Gepinkelt  habe ich mit Soe’s  Hilfe  in eine Bettflasche  und  gegessen habe  ich  tagelang nur  Früchte, um  wenigstens  etwas Würde   zu bewahren. So  konnte  ich der „Bett-Toilette“  entgehen.

 

Als  mir  Soe  am Tag nach meiner Operation ein gekühltes  Stück Wassermelone und  einen Apfelschnitz  in den Mund  schob,  den Nacken konnte  ich nicht heben, wurde  mir  bewusst,  dass ich  niemals  im Leben zuvor  so  gutes  Obst gegessen habe.  In diesem Augenblick war ich dankbar und  demütig  zugleich.

 

Ich kann gar nicht ausstreichend hervorheben,  wie  meine  liebe Soe mich pflegte, fütterte und  meinen Körper mit einem feuchten Tuch reinigte,  da ich nicht duschen konnte.  Dieses  Erlebnis  hat uns  beide noch weiter zusammen geschweißt…und   ich hoffe, dass ich in der Zukunft   ihr  die Hilfe  zurückgeben  kann, die sie mir  so  großmütig schenkte.  

 

Am sechsten Tag  verliess ich das erste  Mal das Bett   und ging   frühmorgens mit Soe’s  Hilfe im Schneckentempo eines  90 Jährigen  in den Park des Krankenhauses, der direkt am Meer liegt:

 

Ich sah  nach  vielen Jahren wieder  bewusst einen Sonnaufgang, sah  die glitzernden   Wellen  und  die  springenden Fische im Meer, hörte  mit  meinen Sinnen  die  Vögel zwitschern und das Rauschen des  Windes  in den Palmen. 

 

Da  wurde  mir  schlagartig bewusst,  dass ich  all  diese   Erscheinungen  der Natur seit  vielen Jahren  nicht mehr wahrgenommen habe,   weil  ich nur  an Business, nur  ans  Geldverdienen   und  ans  Erfolgreich-Sein   dachte!

 

Während  meiner/unserer 12 Tagen im Krankenhaus hat sich in mir  eine Werte-Veränderung vollzogen:

 

Was mir  früher  wichtig erschien,  wurde durch  mein schmerzvolles  Ereignis zweitrangig  und was  ich   über Jahre hinweg  mit Bedeutungslosigkeit betrachtete,   erwachte aus einem  tiefen  Schlaf  und  wurde  mir  wichtig und  wertvoll  zugleich.

 

Ich danke  auch  den Ärzten   für  ihre  gute  Arbeit:  

 

Selbst wenn das staatliche Krankenhaus in keiner Weise mit einem privaten   „Luxus-Krankenhaus vergleichbar ist,  so muss  doch gesagt werden,  dass   hier die   Chirurgen   aufgrund der alltäglich extremen Unfallopfer-Zahlen   über  ein beeindruckendes praktisches    Fachwissen verfügen.     

 

Denn die  schwerstverletzten  Unfallopfer 

werden tatsächlich im Stundentakt(!) eingeliefert und  werden für die  Operationen vorbereitet.


Eine schreckliche Entdeckung:

 

Ich zerbrach mir  nach  meinem  Krankenhausaufenthalt    Daheim den Kopf, wie  es  möglich sein konnte, dass  das  Vorderrad derart blitzartig auf  dem Sand wegrutschen konnte, obwohl ich doch nur  die  Hinterradbremse  gezogen hatte.  

 

Daher  begutachtete ich das gesamte  Bremssystem meines  Motorbike  sehr  sorgfältig   und  machte eine  verwirrende Entdeckung:

 

Ich entdeckte,   dass  mein Motorrad selbst DANN  mit der Vorderradbremse  bremste, wenn ich nur  die  Hinterradbremse  anzog!   Denn beide  Bremsen  waren mit einem  Übertragungs-Gestänge  verbunden! (Siehe  Detailfotos)

 

Jedoch   habe ich  erst   4 Wochen nach meinem Unfall  diese  technische  „Innovation“  feststellt.  

Ich  war über  dieses  Brems-System   schockiert, aber hinsichtlich  der Verantwortungslosigkeit  von HONDA  auch sehr verärgert!  

 

Dieses  Doppelbremssystem,   das  nur  mit der Hinterradbremse  betätigt wird,  nennt sich, wie ich  heute  weiß,  VERBUNDBREMSE  (aber ohne  ABS!)  und  bremst HERVORRAGEND  auf  sauberen Asphalt  oder, wie in Thailand  üblich,  auf Betonstraßen,   sofern sie  sauber gekehrt sind.   Aber auf Sand, Eis oder Schnee ist dieses Bremssystem   lebensgefährlich.

 

 

Später  habe ich einen Freund  gebeten, das   bremswirksame   Übertragungs-Gestänge  zu demontieren.   Nun bremst die  Vorderradbremse genau dann, wann  ich es  für richtig halte.  Allerdings kann ich immer noch nicht mit dem Arm  Motorbike  fahren.  Das  wird  noch Monate  dauern.

 

Der Autofahrer  ist selbstverständlich weiter gefahren, worüber ich sogar froh bin.  Denn  ein richtig dreister Thai  hätte dann bei der Polizei  aussagt, dass die  Kratzer und  Beulen  an seinem Fahrzeug  durch den Unfall  geschehen sind  und  dass ich  IHM  entgegen gekommen  bin,  obwohl ich im Graben auf der linken Straßenseite  lag.  Dann hätte  ich sogar noch seinen  erfundenen "Schaden" bezahlen müssen.

 

Das ist  normal  in Thailand,  … und  viele Ausländer mussten dafür schon bezahlen, obwohl sie den Unfall nicht verursacht haben.

 

 

 

Ich  habe  dennoch einen weiten Weg vor  mir:  

 

Mindestens   6  Monate  werde  ich benötigen,   um  die  schweren Verletzungen   ausheilen zu lassen  und  mit anschließender  Physiotherapie  eine  Versteifung des  Armes  zu  verhindern. Anschließend erfolgt  vorsichtiges, gesteigertes  Krafttraining, um die  Muskeln wieder aufzubauen.

 

Ich bin guter Dinge  und  bin auch dankbar,  dass ich durch diesen Unfall  meine Prioritäten und  Maximen überdenken  und hinterfragen konnte.

 

Liebe  Grüsse  aus dem fernen Thailand!

 

Soe & Jörg

 

  Im Krankenhaus  auf  Koh Samui

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